Zusatzzölle Und Ein Bisschen Hoffnung


Vor gut einem Jahr hat EU-Kommissionschefin von der Leyen Maßnahmen gegen E-Auto-Einfuhren aus China angekündigt. Jetzt werden deutliche Aufschläge fällig – doch beide Seiten verhandeln weiter.

Die monatelangen Verhandlungen der Fachleute in Brüssel und Peking waren schwierig und nicht erfolgreich. Deshalb spitzt sich wenige Tage vor der US-Wahl mit ungewissem Ausgang der Konflikt mit Europas zweitwichtigstem Handelspartner China zu. Auf von dort in die EU eingeführte Elektroautos sind seit Mitternacht Zölle von bis zu 35,3 Prozent fällig.

Die entsprechende Verordnung tritt nach der Veröffentlichung im EU-Amtsblatt in Kraft. Die EU spricht von “Ausgleichszöllen”. Anders als die US-Regierung, die ihre Importzölle für chinesische E-Autos pauschal auf 100 Prozent vervierfacht hat, verhängt Brüssel abgestufte Aufschläge. Sie sollen den Schaden ausgleichen, der aus EU-Sicht durch staatliche Beihilfen entsteht. Die EU-Kommission wirft China vor, durch massive Subventionen den Wettbewerb zu verzerren. Peking halte die Preise künstlich niedrig, was europäische Hersteller benachteilige.

Nach Kommissionsangaben ist der Anteil chinesischer E-Auto-Importe am EU-Markt in den vergangenen vier Jahren von knapp 2 auf 14 Prozent gewachsen. In einem aufwendigen Verfahren hat die Kommission je nach Kooperationsbereitschaft der Hersteller in China Sätze festgelegt, die von 7,8 (Tesla) bis zu 35,3 Prozent (SAIC) reichen. Sie werden auf die geltenden Zölle von zehn Prozent aufgeschlagen. Auch deutsche Autobauer sind betroffen, die in China produzieren.

Berlin bremst

Nicht alle Mitgliedsstaaten unterstützen den klaren Kurs der Kommission. Die Bundesregierung hat Anfang Oktober gegen die Einführung von Strafzöllen gestimmt, konnte sich aber im Kreis der Mitgliedsstaaten nicht durchsetzen. In der Handelspolitik sitzt die Kommission am längeren Hebel. Außerdem stimmten große Autoländer wie Frankreich und Italien dafür. Bundeskanzler Olaf Scholz verlangt eine Verhandlungslösung; er beruft sich auf Gespräche mit den Vorstandschefs von BMW, Volkswagen und Mercedes, die sich gegen Zölle ausgesprochen hätten.

Die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, befürchtet, dass durch die Zusatzzölle das Risiko eines weitreichenden Handelskonflikts steigt. Deutschland ist in höherem Maße vom Handel mit China abhängig als andere EU-Staaten. Der VDA verweist darauf, dass in der deutschen Automobilindustrie etwa 70 Prozent der Arbeitsplätze vom Export abhängen. Der Anteil deutscher Autobauer am chinesischen Markt beträgt rund ein Fünftel – mit sinkender Tendenz, weil ihnen der dortige E-Auto-Boom zusetzt. Aus ihrer Sicht bringen EU-Zölle wenig Nutzen, aber möglicherweise viel Ärger, wenn chinesische Gegenmaßnahmen ihren Umsatz schmälern.

Nadelstiche aus Peking

So wird in China über mögliche Zollaufschläge auf Einfuhren von Verbrenner-Fahrzeugen mit großen Motoren diskutiert. Das würde vor allem deutsche Hersteller treffen. Dass die chinesische Regierung in Handelskonflikten mit gezielten Nadelstichen gegen einzelne Länder arbeitet, musste zuletzt Frankreich erleben. Seit Anfang Oktober müssen europäische Weinbrandhersteller bei der Einfuhr ihrer Produkte nach China eine Kaution beim Zoll hinterlegen. Das betrifft vor allem Cognac aus Frankreich, dessen Regierung sich für die Auto-Ausgleichszölle stark gemacht hat. Pekings Maßnahme gilt deshalb als Retourkutsche.  

Und die Eskalationsspirale könnte sich weiterdrehen: In China laufen schon Anti-Subventionsuntersuchungen zu Importen von Schweinefleisch und Milchprodukten aus der EU.

Es gibt noch Hoffnung

Die von der EU jetzt verhängten Zusatzzölle gelten für fünf Jahre. Sie könnten aber auch schnell wieder aufgehoben werden, wenn beide Seiten sich auf eine Lösung verständigen, die den durch chinesische Subventionen entstehenden Schaden anderweitig ausgleicht. So verhandeln Brüssel und Peking auch nach Inkraftreten der Zusatzzölle weiter über Mindestpreise für chinesische E-Autos, die in der EU auf den Markt kommen. Auch mögliche Investitionen chinesischer Autobauer in Europa sind im Gespräch.

Wie sich die EU-Aufschläge auf die Autopreise für Endkundinnen und -kunden in Europa auswirken, ist noch offen. Wer ein E-Auto aus China bestellt hat, das nach Inkrafttreten der Zusatzzölle verschifft wird, zahlt möglicherweise drauf. Allerdings haben nach Angaben eines EU-Beamten viele Händler ihre Lager in den vergangenen Monaten mit China-Importen gut gefüllt, so dass die Nachfrage zunächst wohl aus dem Bestand bedient werden könne.

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