Ungewöhnlich viele Kinder müssen derzeit wegen eines schweren Grippe-Verlaufs ins Krankenhaus. Kinder- und Jugendärzte halten eine Impfung auch von Kindern ohne Risikofaktoren für sinnvoll.
Die Zahl der schwer verlaufenden Grippeerkrankungen bei Kindern ist seit Jahresbeginn deutlich gestiegen. Anfang Februar kamen etwa fünfmal so viele Kinder mit einer Grippe in große Kinderkliniken wie noch Anfang Januar, wie aus Daten der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) aus 65 Kliniken hervorgeht.
“In diesem Jahr ist die Grippewelle relativ stark”, sagte der DGPI-Vorsitzende Tobias Tenenbaum der Nachrichtenagentur dpa. Oft sei die ganze Familie betroffen. Tenenbaum ist Chefarzt an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Sana Klinikums Lichtenberg in Berlin. Die Verhältnisse seien nicht dramatisch, “es ist aber auf jeden Fall sehr viel zu tun.”
Betten sind knapp
Auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) beobachtet eine angespannte Lage in den Kinderkliniken: “Es gibt wieder vermehrt Influenza- und auch RSV-Fälle, so dass wir einige schwerer erkrankte Säuglinge und Kleinkinder sehen, die auch stationär eingewiesen werden müssen”, sagte Axel Gerschlauer, Kinderarzt aus Bonn und Sprecher des BVKJ Nordrhein, der Rheinischen Post.
Die Bettensituation sei wie in den vergangenen Jahren erneut angespannt, die Patienten müssten teilweise in andere Städte verlegt werden. “Das Grundproblem ist unverändert: Es gibt zu wenige Betten und teilweise auch Personal in den Kinderkliniken, um alle erkrankten Kinder in der Infektsaison adäquat und wohnortnah zu versorgen.”
Schwerpunkt in den ersten fünf bis acht Lebensjahren
Dem Chefarzt an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Sana Klinikums Lichtenberg in Berlin zufolge sind sowohl jüngere als auch ältere Kinder von Grippe betroffen. Der Schwerpunkt liege bei Kindern in den ersten fünf bis acht Lebensjahren. Auch das Robert Koch-Institut (RKI) hatte in der vergangenen Woche von außergewöhnlich vielen mit Grippe infizierten Schulkindern gesprochen sowie vielen Kleinkindern, die deswegen ins Krankenhaus mussten.
“Wenn das Kind schwer Luft kriegt, nicht mehr genug isst, das Fieber nach mehreren Tagen nicht runter geht oder der Allgemeinzustand sich verschlechtert, sollten Sie auf jeden Fall zum Arzt”, riet Tenenbaum. Der Arzt könne im Zweifel zu einer Krankenhauseinweisung raten.
Lungenentzündung, Fieberkrämpfe, Muskelschmerzen
Zum Teil hätten die Kinder, die schwer erkrankten, Vorerkrankungen – zum Beispiel Asthma. Prinzipiell kann es Tenenbaum zufolge aber jeden erwischen. Schwere Verläufe äußerten sich vor allem durch eine Lungenentzündung, eine schwere Bronchitis oder Fieberkrämpfe, sagte der Mediziner.
Nur wenig bekannt sei, dass eine Influenza außerdem zu Muskelentzündungen führen könne, bevorzugt in den Waden. “Die Kinder können dann nicht mehr so richtig laufen und haben Schmerzen”, sagte der Mediziner. Betroffene würden stationär aufgenommen. In seiner Berliner Klinik gebe es zurzeit ungewöhnlich viele dieser Fälle, auch bezogen auf Kinder mit Fieberkrämpfen. Manche Kinder müssten auf die Intensivstation.
Impfung noch möglich
Der Sprecher des BVKJ Nordrhein, Gerschlauer, weist darauf hin, dass eine Influenza-Impfung für Kinder auch jetzt noch möglich ist: “Für Eltern ist es wichtig zu wissen, dass viele Krankenkassen die Influenzaimpfung auch für gesunde Kinder übernehmen”, sagte Gerschlauer. “Wer Interesse daran hat, kann auch jetzt noch in seiner pädiatrischen Praxis nachfragen, wo die Impfung durchgeführt werden kann.”
Für gesunde Kinder gibt es in Deutschland keine Grippe-Impfempfehlung. Bestimmten Risikogruppen aber empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) bereits ab einem Alter von sechs Monaten eine Impfung gegen saisonale Infuenza.
Einen spürbar positiven Effekt hat Tenenbaum zufolge der relativ neue RSV-Schutz (Respiratorisches Synzytial-Virus) für Neugeborene und Säuglinge. Die STIKO empfiehlt ihn seit vergangenem Jahr. Die RSV-Welle sei deutlich kleiner als in den vergangenen Jahren. “Die Immunisierung wird sehr gut angenommen.”