China habe der Welt einen „großen Gefallen“ getan, indem es die Kosten für saubere Technologien wie Solarpaneele gesenkt habe, so Fatih Birol, Vorsitzender der Internationalen Energieagentur (IEA). Aber damit wachse auch die Verantwortung des Landes.
Die Weltklimakonferenz in Dubai wurde mit dem Ziel eröffnet, die weltweit installierte Kapazität an erneuerbaren Energien zu verdreifachen und die Energieeffizienz bis 2030 im Vergleich zum Stand von 2022 zu verdoppeln.
Sollte dieses Ziel realisiert werden können, sei dies vor allem China zu verdanken, das saubere Technologien wie Solarpaneele weltweit erschwinglicher gemacht habe, so Birol, Exekutivdirektor der IEA.
„China ist der Spitzenreiter in Sachen saubere Energie. Es ist weltweit die Nummer eins bei Solaranlagen, Elektroautos, Atomkraft, Wasserkraft – bei allem“, sagte Birol im Interview mit Euractiv.
Pekings Geschichte zum Aufstieg als globaler Vorreiter in der Herstellung sauberer Technologien begann vor mehr als einem Jahrzehnt mit Solarzellen.
„Europa war vor 20 Jahren führend im Bereich der Solartechnik, aber es hat den Ball fallen lassen und China hat ihn übernommen. Heute werden 80 Prozent der Solarmodule weltweit in China hergestellt“, so Birol weiter.
Aus Sicht der EU besteht die Gefahr, dass sich dies in anderen Sektoren wie Elektrofahrzeugen und Windturbinen wiederholt, wo chinesische Hersteller aufgrund der niedrigeren Arbeitskosten und des Zugangs zu reichlich vorhandenen Rohstoffen Marktanteile gewinnen.
Im September kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Antisubventionsuntersuchung für Elektrofahrzeuge aus China an, da die Preise für chinesische Produkte „durch enorme staatliche Subventionen künstlich niedrig gehalten“ worden seien.
Eine ähnliche Untersuchung wird nun für Windturbinen vorbereitet, bei denen der chinesische Hersteller Goldwind weltweit eine Vormachtstellung einnimmt und droht, die europäischen Hersteller zu verdrängen.
Laut Birol gibt es für Europa noch einiges an Verbesserungspotenzial.
„Die Entwicklung sauberer Energietechnologien ist wie ein Marathonlauf. Die Goldmedaille geht an den Athleten, der die Ziellinie nach 42 Kilometern überquert, nicht an denjenigen, der die ersten zehn Kilometer am schnellsten läuft.“
Aber es gibt in der EU Wirtschaftssektoren die es zu erhalten gilt.
„Ich sage das, weil Europa heute führend ist bei Wärmepumpen, Elektrolyseuren und Offshore-Windtechnologien. Diesmal sollte Europa aufpassen, dass es nicht nach den ersten zehn Kilometern aus dem Rennen aussteigt“, betonte er.
Chinas Verantwortung
Chinas wachsendes wirtschaftliches Gewicht – und seine Position als weltweit größter Emittent von Treibhausgasen – verpflichten Peking jedoch auch dazu, die Klimakrise zu bewältigen und seine Emissionen schneller zu reduzieren.
Dies bedeutet, dass es einen wesentlichen Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung leisten muss, beispielsweise zum Fonds für Schäden und Verluste, den die Staaten voraussichtlich am ersten Tag der COP28 einrichten werden.
„China hat wie andere Länder, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügen, die Verantwortung, saubere Energie im eigenen Land zu entwickeln und dies durch Unterstützung der einkommensschwachen Länder in anderen Teilen der Welt zu ergänzen“, sagte Birol.
Die Hilfe für arme Länder wird einer der Schlüssel zum Erfolg auf der COP28 sein. Mit mehr Geld für saubere Energie werden die Entwicklungsländer eher geneigt sein, höhere Klimaschutzziele zu vereinbaren und früher aus den fossilen Brennstoffen auszusteigen.
Laut Birol gebe es auch einen Notstand.
Die Investitionen in saubere Energien stiegen in diesem Jahr weltweit auf 1,8 Billionen Dollar, aber „fast der gesamte Betrag kam aus fortgeschrittenen Volkswirtschaften und China“, während die Investitionen in Schwellen- und Entwicklungsländern „stagnierten“, wo der größte Teil des Wachstums der Treibhausgasemissionen in den nächsten Jahrzehnten erwartet wird.
„Ich denke, die Finanzierung sauberer Energien in den Entwicklungsländern ist der Knackpunkt aller Probleme im Zusammenhang mit dem Klimawandel in der heutigen Welt“, sagte Birol.
Gerade südlich des Äquators sei da noch einiges nachzuholen.
„In Afrika hat heute jeder Zweite keinen Zugang zu Elektrizität, obwohl es dort ein riesiges Potenzial für Solarenergie gibt“, betonte der Chef der IEA.
Dabei wäre das Heben dieser Potenziale kinderleicht.
„Die Gesamtmenge an Solarstrom, die in ganz Afrika erzeugt wird, ist halb so groß wie die Menge an Solarstrom, die in den Niederlanden erzeugt wird. Das ist also eine große Ungerechtigkeit, die meiner Meinung nach dringend angegangen werden muss.“
Finanzierung sauberer Energie
Um das Problem anzugehen, bedarf es Finanziers, was Pekings Beitrag wichtiger denn je mache, so Birol – allein schon aufgrund des wirtschaftlichen Gewichts Chinas, der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt.
Dem Vorsitzenden der IEA zufolge sollte dies dazu führen, dass mehr Finanzmittel für saubere Energie von multilateralen Finanzinstitutionen wie der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds, der Afrikanischen Entwicklungsbank, der Asiatischen Entwicklungsbank und der Europäischen Investitionsbank bereitgestellt werden.
„Wir sollten zuverlässige Mechanismen finden, um die Finanzierung des Übergangs in Schwellen- und Entwicklungsländern zu unterstützen“, sagte Birol gegenüber Euractiv.
„Wenn man in Afrika ein Solarkraftwerk bauen will, sind die Investitionskosten drei- bis viermal höher als in Europa, weil Investoren Afrika als riskantes Geschäft ansehen.“
„Daher sollte es einen Mechanismus zur Risikominderung geben, der von der Weltbank und anderen Institutionen eingeführt wird, um den Investoren die Sicherheit zu geben, dass sich ihre Investitionen auszahlen. Und dieser Mechanismus muss stabil genug sein“, sagte er.
Für Europa schlägt er vor, Programme für sauberes Kochen in Afrika zu finanzieren, damit die Familien dort aufhören, primitive, mit Holz betriebene Kochherde zu verwenden, die Gesundheitsprobleme verursachen und die Abholzung der Wälder vorantreiben.
„Dieses Problem ein für alle Mal zu lösen, würde vier Milliarden Euro kosten. Und heute beläuft sich die gesamten europäischen öffentliche Mittel für Entwicklungsleistungen (ODA) für Afrika auf 25 Milliarden Euro“, sagte Birol und deutete an, dass dies für Europa ein leichtes Spiel sei.
Der Kohleausstieg
In Dubai werden die EU und die USA auch versuchen, China und andere Schwellenländer davon zu überzeugen, den Klimawandel nicht weiter anzuheizen und „keine neuen Kohlekraftwerke mehr zu bauen“. Ein Anliegen, das der US-Klimabeauftragte John Kerry in einem kürzlich von Birol mitverfassten Kommentar hervorhob.
Der IEA-Vorsitzende räumte ein, dass ein Abkommen zum Ausstieg aus der Kohle auf der COP28 nur schwer zu erreichen sein werde, da die Entwicklungsländer und China nicht gewillt seien, ihre Wachstumsmöglichkeiten zu schmälern.
„Ich denke, das wird nicht einfach werden. Aber wenn die Länder dem Pariser Abkommen zustimmen, können sie nicht auf die Reduzierung des Einsatzes fossiler Brennstoffe verzichten und trotzdem das Pariser Abkommen einhalten – sie müssen sich entscheiden.“
Dennoch glaubt Birol, dass eine Lösung gefunden werden kann. „Mit einigen guten Bedingungen und einer guten Formulierung rund um den Abbau fossiler Brennstoffe können wir viele Länder an Bord holen, einschließlich China und Indien.“
„Ich bin zuversichtlich, aber es ist definitiv ein schwieriges Thema in der Diskussion zwischen den Ländern.“
In jedem Fall glaubt der IEA-Chef, dass die fossilen Brennstoffe zum Scheitern verurteilt seien, unabhängig davon, ob auf der COP28 eine Vereinbarung über den Ausstieg aus der Kohle gefunden wird oder nicht.
„Ich denke, dass die Nutzung fossiler Brennstoffe weltweit, einschließlich in China und Indien, in einigen Jahren zurückgehen wird, unabhängig vom Pariser Abkommen, allein aufgrund der wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung.“
„Ich hoffe und erwarte sehr, dass Chinas Kohleverbrauch bald seinen Höhepunkt erreicht und zurückgeht“, sagte er.
Quelle : euractiv