Die deutschen Konzerne tarieren ihre geopolitische Strategie neu aus: Mehr Vereinigte Staaten, weniger China
Aus ganz unterschiedlichen deutschen Konzernen und verschiedensten Branchen kommen in diesen Wochen die gleichen Nachrichten: Wachsende Probleme in China, gute Nachrichten aus den USA. So war es zuletzt zum Beispiel bei VW, beim Laserspezialisten Trumpf und auch bei Siemens. Während Xi Jinping die Krise seines Immobiliensektors nicht in den Griff bekommt und die Gesamtwirtschaft des Landes durch seine falsche Politik immer mehr nach unten drückt, kann sich Joe Biden über den Erfolg seiner Strategie freuen. Im dritten Quartal dieses Jahres wuchs die amerikanische Wirtschaft sogar etwas schneller als die chinesische Wirtschaft, wenn man Sonderfaktoren herausrechnet. Das gab es schon lange nicht mehr.
Beide Länder wachsen nicht im Selbstlauf – sondern durch massive staatliche Anreize. Der große Unterschied dabei: Während die USA die Modernisierung ihrer industriellen Basis und neue Technologien fördern, fließt das Geld in China in ein Fass ohne Boden: den maroden Immobilien- und den eng mit ihm verbundenen Finanzsektor. Biden zielt auf eine neue Dynamik, Xi auf Stabilität um jeden Preis. Man kann sich leicht ausrechnen, wie die mittel- und langfristigen Folgen der jeweiligen Wirtschaftspolitiken aussehen werden.
Die deutschen Konzerne nutzen die neuen Chancen, die sich ihnen in Nordamerika bieten. Und sie überlegen umgekehrt genau, ob sich neue Investitionen in China rechnen oder nicht. Die Debatte über eine bewusste Strategie der Risikominderung in der Volksrepublik erledigt sich so ein Stück von selbst: Indem die Konzerne dort Geschäfte machen, wo sie langfristig die größere Nachfrage wittern, balancieren sie ihre geopolitische Strategie wie von selbst neu aus. Wenn nicht alles täuscht, dürfte sich dieser Trend noch verstärken.
Einen Mittelweg gibt es nicht
Natürlich geht es nicht darum, den Markt China aufzugeben. Dazu besteht in den meisten Branchen kein Anlass. Nur in sehr wenigen Bereichen – vor allem bei Chips – muss sich die deutsche Industrie zwischen den USA und China entscheiden. Wenn es eine Frage gibt, in der sich die heillos zerstrittene politische Klasse in den USA einig ist, dann beim Thema Technologie für China. Man tut in Washington alles, um China bei den modernsten Halbleitern und den Maschinen zu ihrer Herstellung von der Weltspitze abzuhängen. Aus Sicht von Biden geht es dabei nicht um Wirtschaft, sondern um die Sicherheit der USA in einem möglichen Konflikt um Taiwan. Wer in Deutschland immer noch davon träumt, in dieser entscheidenden Frage einen Mittelweg einzuschlagen, der träumt.
Es erinnert an ein Paradoxon: Nie schien die US-amerikanische Politik in den letzten Jahren so schwach und verwirrt wie heute, eine Einigung zwischen Republikanern und Demokraten so schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Gleichzeitig aber gewinnt die amerikanische Wirtschaft immer mehr an Stärke – auch durch die wachsende Zahl an ausländischen Investitionen. Sollte das Land in nächster Zukunft die Kraft finden, den Donald-Trump-Spuk endlich zu überwinden, könnte eine neue Ära der amerikanischen Stärke vor uns liegen. Und die deutsche Wirtschaft wird davon stärker als andere Länder profitieren.
Quelle : Capital.de