Blamage für EU-Kommission: US-Führung bei Europäischer Normungsorganisation

Das Europäische Institut für Telekommunikationsnormen, eine der europäischen Normungsorganisationen, hat den Vertreter eines amerikanischen Unternehmens zum Vorsitzenden seines wichtigsten Entscheidungsgremiums gewählt. Die EU-Kommission zeigt sich unzufrieden mit dieser Entscheidung.

Das unabhängige Europäische Institut für Telekommunikationsnormen (ETSI) ist seit seiner Gründung in den späten 1980er Jahren führend bei der Ausarbeitung technischer Normen für wichtige globale Technologien.

Binnenmarktkommissar Thierry Breton, die treibende Kraft hinter der Agenda der „digitalen Souveränität“ in Brüssel, kritisierte ETSI im vergangenen Jahr, als er eine europäische Normungsstrategie vorstellte. Geplant ist, mit dieser der EU mehr Gehör auf internationaler Ebene zu verschaffen.

Am Beispiel eines Normungsantrags für das Galileo-Satellitensystem, den ETSI ablehnte, kritisierte Breton, dass das Gremium unter „übermäßigem Einfluss“ nichteuropäischer Unternehmen stehe. Er schlug eine Reform der internen Arbeitsweise vor, um den nationalen Vertretern mehr Gewicht zu verleihen als den Unternehmensmitgliedern.

Seitdem hat die EU-Kommission damit begonnen, ETSI von wichtigen Normungsaufträgen auszuschließen, insbesondere vom KI-Gesetz und dem Gesetz über Cyberresilienz – die derzeit wichtigsten digitalen EU-Gesetze.

Euractiv hat bereits berichtet, dass der Konflikt zwischen dem ETSI und der Kommission auf das Bestreben des ETSI-Generaldirektors Luis Jorge Romero zurückzuführen ist, die Unabhängigkeit von der Kommission dank des privat finanzierten Geschäftsmodells der Organisation durchzusetzen.

Das Verhältnis zwischen ETSI und der EU-Kommission wird sich jedoch nicht verbessern, da die Generalversammlung am Mittwoch (29. November) Markus Mück von Intel zu ihrem Vorsitzenden gewählt hat.

Nur Organisationen mit Sitz in den Ländern, die an der Europäischen Konferenz der Verwaltungen für Post und Telekommunikation (CEPT) teilnehmen, können an der Entscheidungsfindung des ETSI teilnehmen. Mück selbst ist deutscher Staatsbürger.

Doch die Wahl eines Vertreters aus einem amerikanischen Unternehmen, wenn auch über dessen europäische Tochtergesellschaft, passt nicht zu der erklärten Absicht der Kommission, dem „ausländischen Einfluss“ in den europäischen Normungsgremien entgegenzuwirken.

Mück trat gegen zwei andere Kandidaten an, Jochen Friedrich von IBM, einem weiteren amerikanischen Unternehmen, und Enrico Scarrone von der Telecom Italia. Samit vertrat nur einer von drei Kandidaten ein europäisches Unternehmen.

Die EU-Kommission versuchte, Unterstützung für Scarrone zu gewinnen. Laut einer an der Abstimmung beteiligten Person, die aufgrund der Sensibilität des Themas anonym bleiben wollte, kamen diese Koordinierungsbemühungen jedoch „zu kurz und zu spät“.

Bemerkenswert war, dass die Abstimmung zwar geheim ist, die französische und die deutsche Regierung Scarrone aber nicht unterstützt haben, wie man aus der Verteilung der Stimmen schließen konnte.

„Diese Wahl wird die Beziehung zwischen ETSI und der Kommission nicht unbedingt verschlechtern, denn sie zeigt, dass es für die Kommission vielleicht einfach kein Mandat gibt, um die digitale Souveränität voranzutreiben“, so die mit der Angelegenheit vertraute Quelle weiter.

Zu allem Überfluss für die Kommission hätte die vorgeschlagene Reform des ETSI das Ergebnis nicht verändert. Derzeit sind die Stimmen der Mitglieder gewichtet, wobei die Unternehmen, die die höchsten Beiträge zahlen, bis zu 100 und die nationalen Regierungen bis zu 40 Stimmen erhalten können.

Die von der Kommission vorgeschlagene Reform, die im April in Kraft treten soll, zielt darauf ab, diese Verteilung wieder ins Gleichgewicht zu bringen und den nationalen Regierungen nach dem Vorbild der anderen europäischen Normungsorganisation, CEN-CENELEC, mehr Einfluss zu geben.

Da jedoch Frankreich und Deutschland den einzigen Kandidaten eines europäischen Unternehmens offenbar nicht unterstützt haben, hätte sich das Ergebnis wahrscheinlich nicht geändert.

„Es ist klar, wo das Problem liegt. Es gibt keine ausreichende Koordinierung zwischen den europäischen Akteuren in den Normungsgremien“, fügte die Quelle hinzu und betonte, dass die Kommission „Führungsschwäche“ gezeigt habe.

Dieser Mangel an Koordination ist besonders erstaunlich, wenn man bedenkt, dass die Kommission das Hochrangige Forum für Europäische Normung gerade deshalb eingerichtet hat, um eine dauerhafte Anlaufstelle mit den an der Normung beteiligten Akteuren zu schaffen.

Das zweite Treffen dieses Hochrangigen Forums fand am Donnerstag (30. November) statt, an dem Breton persönlich teilnahm, ohne ETSI zu erwähnen.

Die Europäische Kommission hat bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht auf Euractivs Bitte um Stellungnahme reagiert.

Quelle : euractiv

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