Akkordarbeit Nach Weihnachten


Nach Weihnachten sind Entsorgungsbetriebe besonders gefordert. Tagelang wurde nichts abgeholt, die Tonnen quellen über – denn während der Feiertage hat sich einiges angesammelt. Auf die Müllwerker in Mainz wartet ein langer Tag.

Es ist kurz nach 6 Uhr am Morgen. Auf dem Werkshof der Kommunalen Abfallwirtschaft in Mainz Mombach stehen bereits Dutzende von Müllwerkern. Es ist dunkel und kalt. Gleich beginnt die Frühschicht. In der Hand halten die Männer oft eine Zigarette oder einen Kaffee – oder sogar beides.

Steffen Rohmer kommt zur Pforte und holt sich seinen Schlüssel für einen Lkw. Der 40-Jährige macht heute die Tour durch die Mainzer Innenstadt. “Weihnachten mit der Familie war schön, aber nach Feiertagen haben wir meist sehr viel zu tun. Heute wartet Schwerstarbeit auf uns”, sagt Rohmer, während er seinen Wagen nochmal kontrolliert.

Mindestens neun Stunden Arbeit liegen vor ihm. Die Kommunale Abfallwirtschaft verfügt über rund 40 Fahrzeuge mit etwa 110 Mitarbeitern, die sich um Abfallentsorgung kümmern.

“Die Leute stopfen alles mögliche in die Tonne”

Mit zwei weiteren Kollegen geht es raus in die noch menschenleere Innenstadt. Obwohl es noch ruhig ist, steht das Team schon jetzt unter Zeitdruck. “Nach den Feiertagen ist spätestens um 10 Uhr hier die Hölle los”, erklärt Rohmer. Viele Autos und Fahrräder seien dann unterwegs, die Leute in der Stadt, um Geschenke umzutauschen oder ihre Gutscheine einzulösen.

“Wir müssen aber unser Pensum schaffen. Jetzt ist die Straße wie ausgefegt. Wir müssen die Zeit nutzen, damit wir nachher möglichst aus dem Hauptverkehr draußen sind”, sagt er, während er seinen Lkw durch die Straßen lenkt.

Auch in diesem Jahr wartet Akkordarbeit auf Rohmer und sein Team. Da tagelang nichts abgeholt wurde, dürfen die Müllwerker heute auch bei überquellenden Tonnen nichts stehen lassen. Was aus den Tonnen herausragt, muss ansonsten nicht mitgenommen werden.

“Das ist deutlich mehr Müll heute”, erzählt Melvin Cooper, während er eine randvolle Tonne über die Straße zieht. Während der Feiertage sei nichts abgeholt worden, nun kämen noch die Geschenkverpackungen dazu. “Zudem misten einige Leute auch ihre Keller aus, machen so eine Art Frühjahrsputz und stopfen alles mögliche in die Tonne”, sagt der 52-jährige. “Heute nehmen wir nahezu alles mit.” Die Stadt müsse ja wieder sauber werden.

Nicht alle reagieren freundlich

Die Männer arbeiten sich mit Präzision durch die enge Innenstadt. Rohmer lenkt den riesigen Lkw durch die Gassen und an den geparkten Autos vorbei – auch in die Hinterhöfe zu den Mülltonnen. Das Dröhnen der Müllabfuhr ist im ganzen Straßenzug zu hören.

Nicht alle Anwohner reagieren immer freundlich auf den lauten Abtransport. “Es fängt an mit Kleinigkeiten wie dem Mittelfinger, geht aber auch weiter mit Schimpfwörtern und Drohungen mit der Familie – alles schon gehabt”, erzählt Rohmer. “Das ist in den Jahren auch schlimmer geworden. Wir haben auch schon einen Eimer Wasser auf den Kopf bekommen.”

Müllvermeidung spielt an Weihnachten keine Rolle

Straße um Straße arbeitet sich das Team durch die Innenstadt. Obwohl die Müllwerker ohne Pause arbeiten, dauert es länger als sonst. Die Tonnen sind meist randvoll und schwer. Viele Mülltüten stehen auch auf der Straße. Das Thema Müllvermeidung auch an Weihnachten scheint bei den Bürgern keine Rolle zu spielen.

Nach gut zwei Stunden ist der Lkw voll. Mindestens neun Tonnen Unrat hat er jetzt geladen. Rohmer steuert das Heizkraftwerk in einem Industriegebiet außerhalb der Stadt an, das den Müll verfeuert. Auf dem Weg dorthin erzählt er, dass sie schon fast alles geladen hatten: “Wir hatten schon Autoteile drin, Motorblockteile, E-Bikes, E-Akkus, E-Roller. Auch Handys, die die Polizei geortet hat, hatten wir schon geladen”, erzählt er mit einem Lachen im Gesicht. “Unsere Arbeit ist einfach der ganz normale Wahnsinn.”

Strom für 40.000 Vier-Personen-Haushalte

Im Müllheizkraftwerk der Kraftwerke Mainz-Wiesbaden angekommen, schüttet der Lkw seine Ladung in einen Schacht. Dann wird sie bei über 1.000 Grad verfeuert. Die Anlage läuft 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche. Durch Verbrennung wird Strom produziert. Auch das Mainzer Fernwärmenetz wird mit Energie versorgt.

In dem Kraftwerk werden nach Unternehmensangaben jährlich rund 350.000 Tonnen Hausmüll und Gewerbeabfälle verwertet. “Unsere Müllverbrennungsanlage ist ein wichtiger Baustein für die regionale Energieversorgung. Wir erzeugen nicht nur Strom, sondern versorgen auch tausende Haushalte und Unternehmen mit umweltfreundlicher Fernwärme”, erklärt Oliver Malerius, Vorstandsvorsitzender der Kraftwerke.

Pro Jahr erzeugt das Müllheizkraftwerk nach eigenen Angaben etwa 110 Millionen Kilowattstunden klimaneutralen Strom – genug, um etwa 40.000 Vier-Personen-Haushalte zu versorgen.

“Am Abend weiß man, was man getan hat”

Steffen Rohmer und seine Kollegen fegen noch ein paar Müllreste in die Schuttmulde, bevor es gleich wieder zurück in die Stadt geht. Die nächste Tour wartet. “Am Abend bin ich oft platt. So einen Lkw zu fahren, oft durch enge Gassen, oft rückwärts, dann noch mithelfen, die schweren Tonnen zu leeren, da weiß man am Abend, was man gemacht hat.”

“Der Job ist hart, aber er macht Spaß, weil ich etwas Sinnvolles mache”, sagt der gelernte Kfz-Mechaniker. “Und arbeitslos werde ich auch nie. Müll gibt es immer – nicht nur an Weihnachten.” Dann steigt er auf seinen Lkw und fährt zurück in die Mainzer Innenstadt. Dort müssen noch viele Tonnen geleert werden.

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