Der Verkehrsausschuss des EU-Parlaments hat sich mit einer knappen Mehrheit auf seinen Standpunkt zur Aktualisierung der EU-Führerscheinrichtlinie geeinigt. Damit unterstützt der Ausschuss ärztliche Untersuchungen, die für den Erwerb eines neuen Führerscheins obligatorisch wären.
Bei der Abstimmung am Donnerstag (7. Dezember) im Verkehrsausschuss gab es 22 Befürworter, 21 Gegenstimmen und zwei Enthaltungen. Dies zeigt deutlich, dass die Meinungen über den Inhalt des Textes weit auseinander gehen.
Grünen-Abgeordnete Karima Delli, die für das Dossier zuständig ist, sagte, der Standpunkt des Parlaments erinnere daran, dass der Führerschein ein Instrument im Dienste der Verkehrssicherheit sei. Die neuen Regeln würden der EU helfen, ihr Ziel zu erreichen, die Zahl der jährlich rund 20.000 Verkehrstoten in der EU bis 2030 um 50 Prozent zu senken.
Der Entwurf sieht vor, dass eine ärztliche Bescheinigung ausgestellt werden muss, die bestätigt, dass der Fahrer nicht an Krankheiten leidet, die seine Sicherheit beim Führen eines Fahrzeugs beeinträchtigen könnten. Dies würde sowohl für Fahranfänger als auch für Fahrer gelten, die ihren Führerschein erneuern.
Sehtests gelten bereits als Standard. Doch die genauen medizinischen Anforderungen sowie zuständige Behörden, die die medizinischen Untersuchungen durchführen können, sollen von den einzelnen EU-Staaten selbst bestimmt werden.
Die Grünen und die Sozialdemokraten hatten sich dafür eingesetzt, dass ärztliche Untersuchungen, wie in anderen EU-Staaten bereits der Fall, nicht optional, sondern obligatorisch sein sollten. Allerdings wurden sie vom konservativen Lager heftig dafür kritisiert, dass dies eine unnötige Einschränkung sei.
Die Europaabgeordnete Elżbieta Łukacijewska, Verhandlungsführerin der EVP-Fraktion zum Thema Führerschein, sagte, die Fraktion werde weiter dafür kämpfen, die Mobilität und Unabhängigkeit der Bürger zu erhalten, ohne sie unnötigen bürokratischen Hürden auszusetzen.
In Anbetracht des knappen Ergebnisses der Abstimmung wird davon ausgegangen, dass die EVP-Fraktion darauf abzielt, den Änderungsantrag während der Plenarabstimmung zu verwässern oder zu streichen. Die Plenarabstimmung, bei der alle Abgeordneten über den Standpunkt des Parlaments abstimmen müssten, wird voraussichtlich im Januar oder Februar stattfinden.
Im Rat der EU haben sich die Minister darauf geeinigt, den EU-Staaten die Möglichkeit zu geben, obligatorische ärztliche Untersuchungen vorzuschreiben oder eine „Selbsteinschätzung“ zuzulassen, bei der die Fahrer ihre medizinische und mentale Fahrtauglichkeit selbst bescheinigen.
Die Grünen waren enttäuscht, dass der Vorschlag, die Gültigkeit von Führerscheinen für Personen über 70 Jahre zu verkürzen, vom Parlament abgelehnt wurde. Im Vorfeld der Abstimmung hatte die EVP-Fraktion eine Kampagne gegen den Vorschlag geführt, ihn als diskriminierend bezeichnet und behauptet, er würde die Mobilität von Rentnern beeinträchtigen.
Die Abgeordneten waren sich einig, dass die Führerscheine für Motorräder, Autos und Traktoren mindestens 15 Jahre und für Lastwagen und Busse fünf Jahre gültig sein sollten.
Das Parlament verschärfte auch die Promillegrenze auf 0,2 Promille für Fahranfänger. Da in den meisten Ländern bereits ein solcher Grenzwert gilt, betrifft diese Maßnahme nur Belgien, Bulgarien, Dänemark und Finnland.
Begleitetes Fahren
Die Abgeordneten stimmten außerdem dafür, dass 17-Jährige in Begleitung eines Berufskraftfahrers mit dem Lkw-Fahren beginnen dürfen. Diese Maßnahme wird vom Güterkraftverkehrsgewerbe befürwortet, von Sicherheitsaktivisten jedoch kritisiert.
Das Güterkraftverkehrsgewerbe bezeichnete die Maßnahme als unerlässlich, um die Zahl der Lkw-Fahrer auf den europäischen Straßen zu erhöhen, und wies darauf hin, dass mehr Fahrer in den Ruhestand gehen als in die Branche eintreten.
Nach Angaben der Internationalen Straßentransport-Union (IRU), dem Weltdachverband der Straßentransportwirtschaft, fehlen in Europa derzeit rund 600 000 Lkw-, Reisebus- und Busfahrer, wobei diese Zahl voraussichtlich noch steigen wird.
Die IRU bezeichnete die Abstimmung vom Donnerstag als „einen bedeutenden Schritt nach vorn bei der Beseitigung der Haupthindernisse, die den Einstieg in den Beruf des Bus- und Lkw-Fahrers erschweren.“
Sicherheitsexperten warnen jedoch davor, dass eine solche Bestimmung den Weg dafür ebne, dass ein größerer Prozentsatz der schweren Nutzfahrzeuge von Jugendlichen gefahren werde, die ihrer Meinung nach eher dazu neigen, Risiken am Steuer einzugehen.
Während die EU-weite Empfehlung bei 21 Jahren liegt, erlauben derzeit fünf Mitgliedstaaten 18-Jährigen das Führen von Lastkraftwagen: Finnland, Deutschland, Irland, Polen und Spanien.
„Diese Gesetzgebung wurde unter dem Vorwand eines ‚Verkehrssicherheitspakets‘ eingeführt, aber wenn wir am Ende eine große Zahl von Jugendlichen zum Lkw-Fahren ermutigen, wird das verheerende Folgen haben“, sagte Ellen Townsend, Politikdirektorin der Interessengruppe European Transport Safety Council (ETSC).
Nach der Abstimmung im Plenum im nächsten Jahr wird das Europäische Parlament Gespräche mit den Mitgliedsstaaten aufnehmen, um die Gesetzgebung fertig zu stellen.
Quelle : EURACTIV